notlügen – braucht man?

notluegen“Der Spielplatz hat heute zu.”, “Die Fingerfarben müssen heute schlafen.” oder “Alle Legosteine, die nachts nicht in ihrer Kiste liegen, fliegen zurück ins Legoland.” Notlügen der Eltern scheinen den Familienalltag manchmal zu erleichtern. Immer dann natürlich, wenn man gerade keine Lust auf oder keine Zeit für Stress hat. Stress, der vorprogrammiert ist, wenn das Mini-Menschlein etwas haben möchte, das man aber selbst aus verschiedenen Gründen gerade mal nicht rausrücken kann oder will. Im Bekanntenkreis höre ich diese kleinen Ausflüchte auch immer mal wieder und frage mich dann, ob man seine Kinder echt anschwindeln sollte. Ich (Achtung!) nehme mir vor, Frieda nicht anzuschummeln. Ich möchte ihr nicht sagen, dass ihr Schwimmhäute zwischen den Zehen wachsen werden, falls sie im Regen keine Gummistiefel anziehen möchte oder eben ein Einhorn stirbt, falls sie sich nicht anschnallen will. Ja, möglicherweise erinnert sich das Kind nicht mehr an Mamas oder Papas Lügengeschichte von vor drei Jahren, wenn es in der Lage ist die Sache zu durchschauen. Die meisten der von den Eltern vorgespiegelten falschen Tatsachen werden also von den Kids niemals entlarvt werden. Ist es deshalb legitim? Ich kann doch nicht versuchen meinem Mini-Menschen-Kind beizubringen, dass die Wahrheit ein wichtiges kulturelles Gut ist und selber lügen, dass die Balken biegen? Lügen, weil ich keine Lust auf eine anstrengende Auseinandersetzung mit meinem Zögling habe. Dabei spielt es für mich keine Rolle, ob es um Nahrungsmittel (“Ich will aber Nutella auf dem Brot” – “Tut mir leid, Schatz. Nutella war in allen Supermärkten ausverkauft”) geht oder um die (natürlich nicht) vorhandene Allergie des Vaters, damit kein Hamster angeschafft werden kann. Jeder muss selbst für sich überlegen was moralisch vertretbar ist. Ich für meinen Teil möchte auf diese kleinen Lügen des Alltags gänzlich verzichten. Erinnert mich bitte nochmal in 2 Jahren daran, wenn so ganz langsam die Trotzphase kommen könnte.

Wer Lust hat ein paar Lügengeschichten verschiedener Eltern zu lesen, der kauft sich Schnall dich an, sonst stirbt ein Einhorn! von Johannes Hayers und Felix Achterwinter. Natürlich keine gehobene Literatur oder ein wer-weiß-was-für-ein-toller Ratgeber. Eben ein sehr witziges Buch mit zusammengetragenen Notlügen von Eltern. Bei manchen Geschichten schüttelt man natürlich vehement den Kopf, aber eine Idee zum Beispiel finde ich gar nicht mal so übel und eine Lüge ist es zudem auch nicht: Mutter Kerstin fährt mit ihren Kindern im Bus. Die Kinder Lotte (4) und Matteo (8) machen ordentlich Krawall, rennen herum und hören einfach gar nicht auf die schon verzweifelnde Mama, während andere Passagiere übelgelaunt gucken. >>Da erinnert sich Kerstin an die Süßigkeiten, die sie gerade für ihre Kinder im Kaufhaus holen musste. […] “Jetzt muss ich mich erst mal bei den Leuten hier entschuldigen, weil ihr so laut gewesen seid.” Dann geht sie mit der Tüte Süßigkeiten in der Hand durch die Reihen, bietet jedem Fahrgast Bonbons an und entschuldigt sich für ihre lauten Kinder.<< Diese Story finde ich mal total großartig, konsequent und genial zugleich. Unbedingt M-E-R-K-E-N!

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