…und dann sind da diese zweifel

Rund 30 Minuten sitze ich nun schon vor der Tür der KiTa. Von innen wohlgemerkt. Unser geliebtes Mini-Menschen-Mädchen sitzt neben mir. Ihre zauberschönen Haare fallen ihr etwas ins Gesicht. Sie trägt ihr schönes Esel-Kleid und die passende Leggings, die ihr so gut steht. Sie steht auf und hüpft vergnügt durch den Flur, bleibt an einer Fotowand stehen, betrachtet die Bilder und erzählt mir, wen sie alles darauf erkennt. Mindestens zwanzig Mamas sind in der Zwischenzeit in die KiTa hinein- und mit ihrem Kind im Schlepptau wieder herausgegangen. Wir packen Friedas Brotdose aus und teilen uns eine Möhre. Vor uns liegen ihr Softshellanzug und ihre Schuhe. No Way! Seit über 30 Minuten kann ich unser Mini-Menschen-Mädchen nicht davon überzeugen, sich von mir anziehen zu lassen (oder sich alternativ selbst anzuziehen). Ich will nach Hause. Hinter mir liegt ein anstrengender Schultag und ich sehne mich sehr nach den eigenen vier Wänden, nach einem frischgekochten Kaffee, nach einer liebevollen Umarmung von Guido. Wenngleich unsere Frieda mir im Moment nur wenig bis keine Mamaauszeiten gönnt, brauche ich zumindestens kleine Verschnaufpausen. Ich schaue auf die Uhr. Die Zeit rennt mir davon – irgendwie jedenfalls. Ich habe zwar tatsächlich keinen Zeitstress im Nacken, aber ich mag nicht mehr. Ich muss mal aufs Klo. Unser Mini-Menschen-Mädchen mag aber leider auch nicht. “Nur nochmal kurz anschauen, Mama. Frieda fertig, nein. Warte!” Es geht nicht wirklich ums Anziehen und wenn draußen nicht so ein verdammt eisiger Wind wehen, es regnen würde und wir nicht einen locker  15minütigen Fußweg zur Bahnhaltestelle vor uns hätten, wären mir die Klamotten auch wirklich egal. Unserer Frieda geht es vor allem aber ums Losgehen. Immer wieder. Sie tut sich phasenweise so unglaublich schwer mit Übergängen, so dass wir immer wieder die gleichen, vertrackten Situationen miteinander erleben. Ich bestimme nicht einfach, dass was wir nun tun. Ich gehe in Beziehung – zumindestens versuche ich es. Nicht immer gelingt es mir. Auf jeden Fall tue ich es, wenn wir keinen Zeitdruck haben und die Arbeit ruft. Ihre Wünsche, Ideen und Gedanken sind meinen gleichwürdig. Ich stehe nicht über ihr, meine Bedürfnisse sind nicht wichtiger als ihre. Wir versuchen zu kooperieren. Nicht nur sie muss mit den ganzen lieben langen Tag mir kooperieren, sondern auch ich mit ihr. Ihr Menschsein ist genauso viel wert wie meins.

…und dann kommen sie – diese zweifel

Aber während ich da so sitze, kommen dann zu meinem Wunsch, endlich loszugehen und nach einem anstrengenden Arbeitstag zu Hause zu sein, immer wieder diese verdammten Zweifel. Ist das alles gut und richtig so, wie wir es machen? Ist Bedürfnis- und Beziehungsorientierung unser Weg? Beziehung statt Erziehung? Ich höre Stimmen anderer Menschen in meinem Kopf, die uns am Anfang nicht nur einmal gesagt und geraten haben, dass man sich als Eltern nicht “auf der Nase herumtanzen” lassen dürfe, dass man sich durchsetzen müsse. So ein großer Quatsch – und wir wissen das. Mittlerweile gibt uns auch keiner mehr unerwünschte Tipps und Ratschläge, denn sie haben wohl gemerkt, dass das bei uns nicht ankommt. Während Guido auf Durchzug stellt, trete ich nämlich gerne den Kampf an. Also habe ich absolut keine Ahnung, was diese ganzen bescheuerten Zweifel ausgerechnet jetzt bei mir wollen. Ich bin mir unserer Sache nämlich sicher. Ich weiß für mich, dass ich unser Mini-Menschen-Mädchen nicht mit Strenge, Druck, Zwang, gepredigter Konsequenz und Machtausübung erziehen will und werde. Ich weiß, dass ich auf diese ganzen Kommentare nichts gebe, ich mir ihrer nichts annehme und Guido das genauso sieht. “Lass’ sie reden.” Ja, aber bitte nicht in meinem Kopf. Nicht heute. Nicht jetzt. Zum Glück sind sie auch immer schnell wieder weg.

Es gibt leider Momente, in denen ich dann aber an unserem Beziehungskonzept zweifle. Dann glaube ich, dass die Wutanfälle unserer Frieda, ihr wunderbares autonomes Wesen und die Willensstärke, ihre enorme Durchsetzungskraft und ihr Talent zu “diskutieren” aus unserem Elternverhalten resultieren. Dass wir selber Schuld sind an der Misere, vor der uns am Anfang ja sowieso so viele Leute gewarnt haben. Gewarnt vor dem Stillen, dem Tragen, dem Verwöhnen, der sofortigen Bedürfnisbefriedigung als Baby, vor dem Wenig-Erziehen, der Inkonsequenz und der vielen Aufmerksamkeit, die wir ihr gerne schenken. Dabei wissen wir es doch eigentlich so viel besser, wollen es anders machen und machen es auch anders. Wir sind wir. Wir gehen unseren Weg. Wir machen unsere eigene Sache und am Ende auch unsere eigenen Fehler. Vor allem hören wir aber auf unser Bauchgefühl.

Und manchmal kommen dann doch klitzekleine Zweifel. Euch auch?

4 Comments

  • Unser Sohn ist 12 Jahre alt und er tut sich heute noch schwer zu akzeptieren und diskutiert sich um Kopf um Kragen. Ich denke, Grenzen sind wichtig und jeder ist in seinen Entscheidungen begrenzt. Du wirst auch fremdgesteuert. Das Mass habe ich irgendwann geändert und es hängt vom Kind ab. Unser Sohn macht sich das Leben schwer, unsere Tochter ist leichter im Erkennen, wann diskutieren Sinn macht. Ich bewundere Deine Geduld, die hätte ich nicht un diesem Umfang und unendlich ist nicht Zeit, da die Kita schliesst. Ich hätte irgendwann gesagt, dass die Kinder daheim was soielen – unser Ziel war immer gemeinsames ‘Kaffeetrinken’ mit Obst, was zum Naschen wie Kekse und uns vom Tag zu erzählen. Glaube, das Kinder Regeln brauchen und diese abhängig vom Kind dosiert werden müssen. Die Verantwortung liegt bei den Eltern und jeder muss entscheiden, was ihm wichtig und wo er seine Grenzen zieht, was er akteptiert. Reden ist wichtig und erklären, aber manchmal bestimmen.

  • Ein sehr schöner Beitrag. Ich kenne das alles auch sooo gut – sowohl das lange in der Kita-Garderobe sitzen, als auch diese kleinen Zweifel die manchmal an einem nagen.
    Es tut gut zu lesen, dass es jemandem anderen auch so geht <3

  • Liebe Julia,
    danke für deinen Beitrag!
    Ja, Zweifel gehören zu diesem bedürfnisorientierten Weg; gerade auch, weil uns so viele andere Eltern spiegeln, dass wir es falsch machen, so wie wir es tun und wir bei ihnen sehen, dass es auch anders “funktioniert”.
    Ich bewundere deine Geduld und ich weiß nicht, ob ich sie an deiner Stelle gehabt hätte. Wenn nun von Lesern der Ausruf “Da musst du doch Grenzen setzen” kommt, dann ist vielleicht eigentlich gemeint, dass du dich auch ruhig mit deinen eigenen Grenzen zeigen darfst. DU BIST WICHTIG! Genauso wie Frieda. Und dein Bedürfnis nach Hause zu kommen genauso wie ihres noch dort zu bleiben.
    Du darfst sagen, dass du Sehnsucht hast, nach Hause zu kommen und du kannst sie fragen, was sie braucht, um losgehen zu können. Du kannst statt des blöden Regenanzuges, den sie nicht mag, vielleicht einen (Regen-)Poncho oder eine leichte Fleecedecke einpacken, in die du sie hüllen kannst, während du sie auf dem Easyrider trägst. Schneeanzüge sind das dööfste auf der Welt. 🙂 Welche Möglichkeit gibt es zu UNDEN – also möglichst viel von ihrem Bedürfnis nach “wenig Übergang” zu erfüllen UND dein Bedürfnis nach Ruhe, Pause und Leichtigkeit.
    Andererseits: Soweit das für den Kindergarten okay ist, könnte es ja eventuell auch eine Möglichkeit sein, dich im KiGa mit einem mitgebrachten Getränk und einem Buch in eine Ecke zu verziehen, bis Frieda so weit ist und die Pause dorthin zu verlegen, wenn sie gerade so beschäftigt ist. Es gibt viele Möglichkeiten.
    Und wenn deine Nerven stark genug sind und du dich nicht “als Opfer” fühlst, ist es auch einfach in Ordnung so, wie du es machst. Manchmal kann der Zweifel aber auch ein Hinweis darauf sein, dass man sich selbst übergeht und nicht zufrieden mit dem gewählten Weg ist. Dann darfst du dir erst einmal genau zuhören und deinem Gefühl, dass du eigentlich etwas anderes wolltest, Raum geben. Und bestimmt fallen dir dann auch noch ganz viele andere Dinge ein, die ich nun hier nicht geschrieben habe.

    Lass dich nicht verunsichern! (Aber höre dir selbst zu und nimm’ dich ernst.)

    Ganz liebe Grüße und bis bald
    Natascha

  • Ich versuche auch, die Bedürfnisse meiner drei Kinder ernst zu nehmen und so oft es geht zu erfüllen. Umgekehrt verlange ich von meinen Kindern aber auch, meine Bedürfnisse und die Bedürfnisse anderer zu respektieren und – soweit es ihnen möglich ist – zu erfüllen.
    In der Situation, die du beschreibst, bekomme ich den Eindruck, dass du deine eigenen Bedürfnisse zu Gunsten der Bedürfnisse deiner Tochter hinten anstellst bzw. sogar übergehst. Du schreibst “Ihre Wünsche, Ideen und Gedanken sind meinen gleichwürdig. Ich stehe nicht über ihr, meine Bedürfnisse sind nicht wichtiger als ihre.” Das finde ich auch einen tollen Ansatz, jedoch lässt du es zu, dass ihre Bedürfnisse wichtiger sind als deine! Und die Entscheidung darüber triffst letztendlich doch DU, denn darin können Kinder und Eltern nicht komplett gleichwertig sein. Frieda ist noch klein und erkennt vermutlich nicht, wie müde und kaputt du bist und dass du eigentlich viel lieber nach Hause möchtest. Du kannst von ihr nicht dieselbe Umsicht verlangen, die du für sie hast.
    In meinen Augen wäre es in der Situation gut gewesen, wenn ihr einen Kompromiss gefunden hättet. EINE bestimmte Sache, die sie aussucht, zusammen anschauen/machen, sodass ihr Bedürfnis erfüllt ist. Und direkt im Anschluss daran nach Hause gehen, sodass dein Bedürfnis erfüllt ist. So handhabe ich es bei meinen Kindern oft, und niemand fühlt sich so hinten angestellt oder in seinen Bedürfnissen nicht wahrgenommen. Denn, wie auch schon in den vorigen Kommentaren geschrieben, auch DEINE Bedürfnisse sind wichtig und es kann nicht Sinn der Sache sein, deine Bedürfnisse derart unterzuordnen. Daher kommen bestimmt auch deine leisen Zweifel 😉
    Viele liebe Grüße,
    Christine

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